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Interferenz mit Elektronen

Grundlagen der Quantenmechanik1

Läßt man einen Teilchenstrahl (Sandstrahl) durch zwei parallel angeordnete Schlitze in einem Blech, erhält man auf einem dahinter aufgestellten klebrigen Pappkarton zwei unscharfe «Schatten» der beiden Schlitze. Mit Wellen erhält man ein ganz anderes Resultat, weil sie im Gegensatz zu Teilchen nicht lokal sind. In unserer Vorstellung, nicht aber in der Wirklichkeit, sind die beiden Konzepte «Teilchen» und «Welle» streng getrennt. Einige wichtige Prinzipien der Quantenmechanik lassen sich mit den hier beschriebenen Gedankenexperimenten erfassen.

Gedankenexperiment und Realexperiment

Die hier beschriebenen Experimente sind Gedankenexperimente. Sie sind in technischer Hinsicht idealisiert. Doch ihre Ergebnisse sind nicht erfunden, sondern lassen sich mit Realexperimenten belegen. Die Realexperimente sind technisch aufwendig und deswegen schwer zu durchschauen. Technische Details erschweren das Verständnis der eigentlichen Effekte. Die Gedankenexperimente bieten eine Möglichkeit, die realen Ergebnisse ohne ablenkende technische Details zu beschreiben.

Teilchen und Wellen

Läuft ein Vorgang ab, dann bewegen sich entweder Teilchen durch den Raum (beispielsweise beim Heizen eines Raumes durch Radiatoren) und transportieren Masse und Energie, oder Wellen (Strahlung) transportieren Energie aber keine Masse durch den Raum (beispielsweise beim Heizstrahler). Die Bereiche der klassischen Physik, die sich mit Teilchen beschäftigen, sind Mechanik und Wärmelehre. Von Wellen handeln Optik und Elektromagnetismus.

Gemäß unserer Erfahrung sind die beiden Konzepte – Teilchen und Welle – streng zu trennen. Doch diese Erfahrung, obwohl bewährt, beschreibt nicht die Wirklichkeit. Die strengen Maßstäbe der Physik, wonach nur wahr sein kann, was sich im reproduzierbaren Experiment bewährt, haben schon mehrfach zu begrifflichen Revolutionen geführt und den geistigen Horizont der Menschen erheblich erweitert. So auch hier. Die beiden Konzepte von Teilchen und von Welle sind in Wirklichkeit nicht so streng getrennt. Unsere (falsche) Vorstellung stimmt nur deshalb so gut mit der Erfahrung überein, weil erst bei sehr kleinen Teilchen der «Wellencharakter»zu meßbaren Effekten führt.

Elektronen sind Teilchen

In der Braunschen Röhre (Fernsehröhre) fliegen Elektronen von der Kathode zum Leuchtschirm. Dabei wird Masse transportiert; Elektronen müssen also Teilchen sein, denn bewegte Teilchen transportieren Masse und Energie von der Quelle zum Ziel.

Beim Leuchtschirm erzeugt jedes ankommende Elektron einen Lichtblitz: auch das spricht dafür, daß Elektronen Teilchen sein müssen. Schießt man einen Teilchenstrahl, bespielsweise einen Sandstrahl, durch zwei benachbarte Schlitze, so zeigen die Sandkörner hinter dem Doppelspalt ein unscharfes Bild der beiden Schlitze (Bild). Die Positionen der Schlitze sind am Bildrand mit weißen Rechtecken markiert. Jeder Punkt deutet die Position an, an welcher ein Sandkorn angekommen ist.

Die Sandkörner hinter dem Doppelspalt zeichnen ein unscharfes Bild der beiden Spalte. Die Positionen der Spalte sind am Bildrand mit weißen Rechtecken markiert.

Von der Quelle zum Schirm fliegende Elektronen sind Wellen

Führt man den Elektronenstrahl durch ein Blech mit zwei benachbarten Lücken, findet man beim Leuchtschirm nicht das, was man bei einem Teilchenstrahl erwarten könnte.
Von der Quelle zum Schirm fliegende Elektronen sind Wellen.

Man findet statt dessen ein Interferenzmuster von Lichtblitzen: an gewissen Stellen gibt es viele Lichtblitze, an benachbarten überhaupt keine, so wie es beim Überlagern von Wasserwellen Stellen mit hohen Wellen wie auch Stellen ganz ohne Wellen gibt.

Wasserwellen, die durch zwei Lücken einer Mauer (linker Bildrand) dringen, erzeugen hinter der Mauer ein Interferenzmuster mit Stellen ganz ohne Wellen

Ganz offensichtlich werden die von der Elektronenquelle durch den Doppelspalt zum Leuchtschirm fliegenden Elektronen von beiden Schlitzen beeinflußt, obwohl Elektronen viel, viel kleiner sind als der Abstand der Schlitze voneinander. Die Lücken im Blech sind, gemessen an der Größe der Elektronen, unendlich weit voneinander entfernt. Ein einzelnes Elektron, als Teilchen gedacht, kann also auf keinen Fall durch beide Lücken gleichzeitig.

Elektronen zeichnen nach dem Durchgang durch den Doppelspalt ein Interferenzmuster von Lichtblitzen. Die Position der Schlitze ist am unteren Bildrand mit weißen Rechtecken markiert.
Ein stark überbelichtetes Bild des Intensitätsmusters am Leuchtschirm zeigt schön, daß an manchen Stellen (dunkle Streifen) auch nach langer Zeit kein einziges Elektron ankommt.

Zählt man die Lichtpunkte Streifenweise aus und trägt das Ergebnis auf der Ordinate eines Diagrammes gegen die Nummer des Streifens auf, erhält man ein Intensitätsdiagramm.

Sollten sich etwa sich irgendwie zwei Elektronen beeinflussen, die gerade gleichzeitig durch je eine der Lücken gehen? Diese Frage kann man prüfen, indem man die Intensität des Elektronenstrahls so weit reduziert, daß immer nur ein Elektron zwischen Kathode und Leuchtschirm unterwegs ist; das nächste Elektron wird von der Quelle also erst dann losgeschickt, wenn das letzte bereits beim Leuchtschirm angekommen ist. Natürlich wird das Intensitätsmuster am Leuchtschirm nun viel schwächer, doch man kann den Leuchtschirm durch einen photographischen Film ersetzen und einfach viel länger belichten, so daß die geringe Intensität kompensiert wird.

Reiner Zufall

Jedes Elektron erzeugt genau einen Punkt auf dem Leuchtschirm. Wo dieser Punkt zu liegen kommt, kann nicht vorausgesagt werden. Nicht etwa deshalb, weil unsere Meßinstrumente nicht ausreichten und unsere Theorie unvollständig wäre, sondern weil es diese Information nicht gibt. Das System selber «weiß» es gewissermaßen nicht. Das ist bemerkenswert, denn die genaue Lage des Leuchtpunktes gehört somit zu der Klasse der seltenen Ereignisse, die rein zufällig sind und also keine Ursache haben, auch keine verborgene. Das Ereignis ist nicht deterministisch.

Es lohnt sich, noch etwas bei dieser Feststellung zu verweilen. Wir sind gewohnt, anzunehmen, daß jedes Phänomen eine Ursache habe. «Wo Rauch ist, ist auch Feuer». Oft stimmt das auch. Die Physik lehrt uns, daß wir mit (seltenen) Fällen rechnen müssen, bei welchen diese Annahme nicht zutrifft. Es gibt Vorgänge ohne Ursache.

Der Vorgang der Wellenausbreitung selber, also wie das Elektron von der Quelle zum Ziel kommt, ist dagegen wie gewohnt deterministisch. Nur der Nachweis des Elektrons, also der Augenblick, wo es aufhört, Welle zu sein, enthält eine nicht deterministische Komponente.

Alles was man über den Ort des Leuchtpunktes aussagen kann, ist im Intensitätsdiagramm festgelegt. Die Höhe der Kurve über einer Stelle x gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit welcher der Schirm an dieser Stelle aufleuchtet (leicht vereinfacht ausgedückt3).

Ein einzelnes Elektron macht mit sich selber Interferenz!

Läßt man, wie oben beschrieben, jedes Elektron einzeln durch den Doppelspalt fliegen, ändert sich das am Leuchtschirm beobachtete Intensitätsmuster in keiner Weise! Am Leuchtschirm kommen die Elektronen als Teilchen an, wie die Lichtblitze zeigen. Am Doppelspalt muß aber jedes Elektron «irgendwie» von beiden Schlitzen beeinflußt werden, sonst gäbe es keine Interferenz. Offensichtlich bewegt sich ein einzelnes Elektron in Form einer Welle von der Quelle über den Doppelspalt zum Bildschirm, ebenso, wie Wasser-, Schall- oder Lichtwellen das tun. Wellen sind ausgedehnt, Teilchen nicht. Offensichtlich bildet sich eine ausgedehnte «Elektronwelle», die den Raum zwischen Quelle und Ziel und auch beide Schlitze umfaßt5. Wie bei Wasserwellen werden die beiden Schlitze zu Ausgangspunkten von neuen Wellenzügen, deren Wellenhöhen sich je nach Ort zu einer doppelt hohen Welle oder auch zu Null addieren, je nach dem, ob grad Wellenberg (bzw. -tal) auf Wellenberg oder Wellental auf Wellenberg kommt.

Welchen Weg nimmt das Elektron?

Um dieses doch merkwürdige Ergebnis zu prüfen, kann man versuchen herauszufinden, welchen Weg das Elektron nimmt, denjenigen durch den linken oder denjenigen durch den rechten Schlitz. Da Elektronen mit elektromagnetischer Strahlung (Feldern) wechselwirken, beispielsweise mit Licht, könnte man unmittelbar hinter dem Doppelspalt eine sehr starke Lampe anbringen. Wenn das Elektron mit dem elektromagnetischen Feld ihres Lichtes wechselwirkt, gibt es einen Lichtblitz gleich am einen bzw. am anderen Schlitz. Beobachtet man also einen Lichtblitz, weiß man, wo das Elektron gerade war. Das Experiment funktioniert und man kann auf diese Weise feststellen, welchen Weg das Elektron genommen hat. Übereinstimmend mit unserem «gesunden Menschenverstand» beobachtet man einen Lichtblitz links oder einen rechts, niemals aber an beiden Schlitzen gleichzeitig. Das Elektron flog entweder durch den linken oder durch den rechten Schlitz, nie durch beide gleichzeitig, so, wie wir es ja gewohnt sind und erwarteten. Unerwarteterweise verschwand damit das Interferenzmuster auf dem Leuchtschirm. Schaltet man das Licht aus, erscheint es wieder.

Ergebnis

Zwingt man durch irgendwelche Maßnahmen das Elektron auf einen eindeutigen Weg, bewegt es sich als Teilchen, nicht mehr als Welle! (Dieses Gedankenexperiment beschrieb Richard Feynman in «lectures on physics»). «Irgendwie» scheint das Elektron zu «wissen», ob hinter dem Doppelspalt das Licht brennt und falls es brennt, geht es «ordentlich» nur durch einen Schlitz. Falls das Licht aber nicht brennt, geht es durch beide gleichzeitig, was man am Interferenzmuster beim Leuchtschirm erkennen kann.

Auf beide beschriebenen Weisen – Leuchtschirm oder starke Lampe – weist man das Elektron nach. Entweder direkt beim Doppelspalt, oder weiter weg beim Leuchtschirm. Nachgewiesen wird es stets als Teilchen. Weist man das Elektron beim Spalt nach, geht es wie normale Teilchen eindeutig durch den einen oder durch den anderen Spalt, sein Weg wird nicht durch beide Spalte beeinflußt und man beobachtet am Schirm keine Interferenz. Weist man es erst am Schirm nach, wird sein Weg wie bei einer Welle durch beide Spalte verlaufen und man beobachtet am Schirm Interferenz. Wird die Natur des Elektrons, Welle oder Teilchen zu sein, durch die Art der Beobachtung festgelegt?

Wie kommt die Information zum Elektron?

Wenn man versucht herauszufinden, durch welchen Schlitz das Elektron ging, scheint es sich irgendwie festzulegen und seinen Wellencharakter zu verlieren – das Interferenzmuster verschwindet. Offensichtlich bildet sich nun keine Welle mehr, die den ganzen Raum zwischen Elektronenquelle und Schirm umfaßt. Damit gibt es auch keine zwei Wellenzüge hinter dem Doppelspalt und deshalb auch kein Interferenzmuster. Läßt man es beim Doppelspalt in Ruhe und weist es erst beim Leuchtschirm nach, geht es als Welle durch beide Schlitze zugleich und man sieht ein Interferenzmuster auf dem Leuchtschirm. Das Elektron scheint irgendwie zu «wissen», was es hinter dem Doppelspalt erwartet, Lampe ein oder Lampe aus, so daß sich für eine der beiden «Daseinsformen», Welle oder Teilchen, zu «entscheiden» kann. Wie kommt die Information darüber, ob die Lampe hinter dem Doppelspalt gerade brennt oder nicht, zum Elektron?

Wenn es durch den Schlitz geht, «weiß» das Elektron irgendwie, ob es unmittelbar hinter dem Doppelspalt als Teilchen oder erst beim Leuchtschirm durch Interferenz als Welle nachgewiesen wird. Könnte man nicht versuchen, es «auf frischer Tat zu ertappen», indem man es wie bisher bei der Elektronenquelle mit bekannter Geschwindigkeit4 losläßt, dann aber wartet, bis es beim Doppelspalt angekommen ist und genau in diesem Augenblick entscheidet, ob das Licht einzuschalten ist oder nicht? Damit müßte das Elektron beim Einschalten des Lichts bereits als Welle oder als Teilchen vorliegen und man könnte beobachten, wie es das Kunststück fertigbringt, durch beide Schlitze gleichzeitig zu gehen.

Das Ergebnis des Experimentes: beobachtet man das Elektron beim Schlitz (Lampe ein), gibts auf dem Leuchtschirm kein Interferenzmuster. Läßt man es beim Schlitz in Ruhe (Lampe aus), beobachtet man ein Interferenzmuster. Alles ist wie zuvor, außer daß jetzt keinerlei Information über «Licht» oder «kein Licht» zum Elektron kommen kann! Kann das Elektron etwa unsere Gedanken lesen?

Entgegen dem Augenschein sind die beiden Experimente, das mit Licht und das ohne Licht, nicht nur leicht, sondern grundlegend verschieden. Ohne Licht bildet sich eine Elektronenwelle zwischen Elektronenquelle und Leuchtschirm aus. Hinter dem Doppelspalt «zerfällt» diese in zwei interferierende Wellenzüge. Ganz so, wie weiter oben im Bild für Wasserwellen dargestellt.

Mit Licht (Lampe ein) hingegen bildet sich eine Welle zwischen Quelle und linkem (bzw. rechtem) Schlitz, je nachdem, wo der Lichtblitz beobachtet wird, aber jedenfalls nicht an beiden Orten gleichzeitig, denn man läßt immer noch jedes Elektron einzeln los. Sie breitet sich entweder zwischen Elektronenquelle und linkem oder zwischen Elektronenquelle und rechtem Schlitz aus. Es gibt jeweils nur einen möglichen Weg und deshalb keine Interferenz.

Wird das Elektron beim linken Schlitz nachgewiesen (gezackter Pfeil, und dann nocheinmal beim Schirm, Detektor D), bildet sich eine Welle von der Quelle (Q) zum oberen Schlitz und danach eine zweite vom Schlitz zur Schirm. Wird es beim rechten Schlitz nachgewiesen, gilt entsprechendes. Es gibt immer nur eine Welle und deshalb keine Interferenz.

Natürlich muß das Elektron dann auch noch zum Leuchtschirm kommen, und natürlich tut es das als Welle. Doch auch auf diesem zweiten Teil gibt es nur einen Weg, nämlich entweder vom linken Schlitz zum Leuchtschirm oder vom rechten Schlitz zum Leuchtschirm, weswegen es keine Interferenz geben kann.

An diesen und ähnlichen Beobachtungen zeigt sich, daß unsere alltäglichen Vorstellungen von Materie begrenzte Gültigkeit haben. Die Phänomene sind aber bloß ungewohnt und fremd, nicht etwa unverstanden: mit mathematischen Konzepten läßt sich das Verhalten von Elektronen (und anderen Teilchen) auf viele Stellen nach dem Komma genau voraussagen. Dies zeigt, daß diese mathematisch gefaßten Vorstellungen richtig und vollständig sind, es gibt nichts Mysteriöses am Verhalten dieser Teilchen und damit am Verhalten von Materie.

Wir Menschen neigen dazu, unsere in Anpassung an ein Urwaldleben gewonnenen Konzepte absolut zu setzen und daraus hartnäckig nach «verborgenen Ursachen» der Quantenphänomene zu fragen, die uns fremd und «unlogisch» erscheinen. «Ja aber warum sind die Elektronen Wellen, wenn sie sich von A nach B bewegen, aber Teilchen, wenn sie in B nachgewiesen werden?». Wer diese und ähnliche Fragen in sich aufkeimen spürt, befindet sich in guter Gesellschaft. Feynman verzweifelte2 ob des Versuchs, eine Antwort zu geben, und Einstein lehnte gewisse Folgerungen aus der Quantenmechanik kategorisch ab. Doch es sieht so aus, als wäre Materie nicht mit unseren intuitiven Konzepten erklärbar. Bei Lichte betrachtet ist das nicht weiter verwunderlich: unsere intuitiven Konzepte sind nicht zum Erklären von Materie entstanden, die Erklärung der «Rätsel der Quantenmechanik» sind nicht physikalischer, sondern psychologischer Natur!


Anmerkungen

1 Ein Artikel aus der NZZ diskutiert ähnliche Sachverhalte an viel größeren Teilchen:
Mai 7, 2003 Torwandschiessen mit C-70-Molekülen
Suche nach den Grenzen der Kohärenz

2 «One might still like to ask: "How does it work? What is the machinery behind the law?" No one has found any machinery behind the law. No one can "explain" any more then we have just "explained". No one will give you any deeper representation of the situation. We have no ideas abour a more besic mechanism from which these results can be deduced.» Aus: «Feynman lectures on physics» Volume III, Addison Wesley, London 1965, p. 1-10

3 Genau genommen gibt nicht die Höhe der Kurve über einem bestimmten x die Wahrscheinlichkeit an, sondern die Fläche unter der Kurve in einem gegebenen x-Bereich. Es ist flexibler, auf der Ordinatenachse eine Wahrscheinlichkeitsdichte (Wahrscheinlichkeit pro x) statt einer Wahrscheinlichkeit anzugeben.

4 Die Rede ist hier von der Geschwindigkeit des klassischen Teilchens. Ein Elektron ist aber gerade kein klassisches Teilchen. Aus in diesem Aufsatz aufgeführter Argumentation folgt (was hier nicht weiter ausgeführt wird), daß ein Elektron keine absolut genau definierte Geschwindigkeit hat.

5 Für Spezialisten wurde zum vertieften Verständis noch eine mögliche (eindimensionale) Elektronausbreitung an einem Beispiel berechnet. Materiewellen (de Broglie-Wellen) werden mathematisch durch komplexe Funktionen beschrieben. In den nachfolgenden Bildern wird der Realteil, der Imaginärteil und das Absolutquadrat für die eindimensionale Ausbreitung eines Elektrons dargestellt (Raumachse in mm, Zeitachse in ms; die senkrechte Achse zeigt die Wellenintensität). Das Elektron wurde als «Wellenpaket» mit Gaußscher Verteilung der Einzelwellen zusammengesetzt. p ist der Impuls (in eVs/m; die Einheiten wurden so gewählt, damit beim Berechnen keine sehr großen Zehnerpotenzen entstanden, die zu Rundungsfehlern führen), entsprechend einer Geschwindigkeit von 0.5 m/s (also ein langsames Elektron). Die Impulsunschärfe wurde willkürlich auf 1 eVs/m festgelegt. Wollte man mit genau festgelegtem Impuls arbeiten, wäre das Elektron nicht lokalisierbar (Heisenbergsche Unschärferelation).

Das Absolutquadrat der Wellenfunktion gibt die Wahrscheinlichkeit an, das Elektron irgendwo im eindimensionalen Raum zu finden. Die Position des klassischen Teilchens ist auf der x-Achse durch einen kleinen Kreis markiert. Man sieht, daß an der klassischen Position die Wahrscheinlichkeit, das Elektron zu finden, am größten ist. Sie verschwindet aber vorwärts und rückwärts davon nicht, sondern klingt allmählich ab. Je schärfer die Impulsverteilung, desto breiter die Wahrscheinlichkeitsverteilung, das Elektron irgendwo im Raum zu finden.


Das Absolutquadrat der Wellenfunktion für das beschriebene Elektron. Sie gibt die Wahrscheinlichkeit an, das Elektron irgendwo im Raum zu finden. Diese ist am größten an der nach «normaler», klassischer Physik erwarteten Position. Davor (in Bewegungsrichtung) und dahinter ist die Wahrscheinlichkeit kleiner. Nach klassischer Physik ist ein Teilchen genau da, wo es nach Zeit und Geschwindigkeit zu erwarten ist. Ein quantenmechanisches Objekt kann da sein, man kann es aber auch in der näheren Umgebung finden, wenn die Wahrscheinlichkeit auch immer kleiner wird, je weiter man sich von der klassischen Position entfernt.

Man erkennt auch deutlich, daß die Verteilung mit der Zeit breiter wird. Man weiß also immer weniger genau, wo das Elektron gerade ist. Das ist ein typisches Phänomen für ein Wellenpaket aus de Broglie Wellen, man nennt es «Dispersion»


Der Realteil der Wellenfunktion für das erwähnte Elektron. Bemerkenswert ist vor allem die Ausbreitung: das Elektron startet von Null. 15 ms später ist die Wellenintensität 15 mm davon entfernt schon merklich, während sie bei Null noch immer nicht vernachläßigbar ist. Es leuchtet ein, daß eine über ca. 20 mm ausgebreitete Elektronwelle von zwei dicht beeinanderliegenden Schlitzen beeinflußt wird. Ebenso erscheint in diesem Lichte weniger rätselhaft, warum der Nachweis beim Doppelspalt oder erst beim Bildschirm, der auch gut 20 cm weiter entfernt sein kann (Fernsehröhre!), die Ausbreitung der Welle (Interferenz oder nicht) beeiflussen kann.

Ebenfalls bemerkenswert ist, daß die Frequenz in Ausbreitungsrichtung kleiner ist als gegen diese. Ohne weiter darauf einzugehen sei einfach angemerkt, daß das mit der oben erwähnten Dispersion zusammenhängt.


Der Imaginärteil «unseres» Elektrons. Es sind die gleichen Bemerkungen zu machen wie beim Realteil.


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last update Thursday, June 29, 2017 Zurück