Legierungen
schmelzen bei tieferer Temperatur

Löst man einen Stoff in einem Lösungsmittel, so schmilzt das Lösungsmittel schon bei tieferer Temperatur, und er siedet bei höherer Temperatur. Schmelzpunktserniedrigung und Siedepunktserhöhung sind "kolligative Effekte".

Warum schmelzen Legierungen leichter als die Metalle, aus welchen sie zusammengesetzt sind? Das Teilchenmodell gibt eine einfache, wenn auch ziemlich grobe Vorstellung.


by Gian Vasta

Reine Stoffe

Gemäss einem einfachen Teilchenmodell sind die Teilchen von Feststoffen dicht und regelmässig gepackt. Da sie nah beieinander sind, herrschen verhältnismässig grosse Kräfte zwischen ihnen.

In Flüssigkeiten sind die mittleren Teilchenabstände grösser.


Ein Feststoff...


...und seine Schmelze.

Beim Schmelzen müssen also die anziehenden Kräfte zwischen den Teilchen überwunden werden. Das braucht Energie (potentielle Energie), deshalb muss zum Schmelzen Wärme zugeführt werden.

Diese Wärme dient nicht dazu, die Temperatur des Stoffes zu erhöhen, sie ist "verborgen", latent. Sie wird im System nicht als Translations-, Rotations- und Vibrationsenergie gespeichert, was sich als Temperaturerhöhung auswirken würde, sondern als potentielle Energie der Teilchen. Deshalb nennt man solche Umwandlungswärmen "latente" Wärmen.

Legierungen

Gelingt es (beispielsweise durch einen zugesetzten Stoff), diese anziehenden Kräfte schwächer zu machen, können die Abstände zwischen den Teilchen leichter vergrössert werden. Es braucht weniger Energie.

Ein Gemisch schmilzt deshalb schon bei tieferer Temperatur als der reine Stoff.


Manche Legierungen kann man sich wie Lösungen vorstellen -- "feste Lösungen"

Einschränkungen

Die oben vorgestellte Erklärung erklärt die Tatsache nicht, dass der Schmelzpunkt eines Stoffes durch einen Zusatzstoff auch dann erniedrigt wird, wenn die Wechselwirkungen alle gleich sind.

Vereinfachungen

Sei beispielsweise Stoff A das Lösungsmittel und Stoff B der gelöste Stoff. Es treten drei unterschiedliche Wechselwirkungen auf, A - A, B - B sowie A - B. Löst man nur sehr wenig B in A, dann treffen B Moleküle nur sehr selten aufeinander, und die B - B Interaktionen tragen nur vernachlässigbar wenig bei zum Verhalten des Körpers (Raoultsche Lösung). Um die Diskussion zu vereinfachen und nicht vom Wesentlichen abzulenken, wird im folgenden die Wechselwirkung B - B vernachlässigt.

Um die Konzentration auf das Wesentliche zu erleichtern, beschränkt sich die Diskussion auch auf den Übergang von der flüssigen in die Dampfphase. Das ist insofern eine Vereinfachung, als im Dampf die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen ganz vernachlässigt werden können. Das Schmelzen ist demgegenüber ein Übergang zwischen zwei kondensierten Phasen, deren Eigenschaften wesentlich von den Teilchenwechselwirkungen in beiden (statt in nur einer) Phase bestimmt sind.

Für Spezialisten: um den Übergang von der festen zur flüssigen Phase zu untersuchen, würde man einen Kreisprozess betrachten, in welchem das Teilchen von der festen in die Gasphase und von da in die flüssige Phase übertragen wird. Auf diese Weise separiert man die einzelnen Energiebeiträge. Es leuchtet ein, dass der zweite Prozess keine zusätzlichen, grundlegend neuen Erkenntnisse mehr beiträgt und daher ohne Verlust an Allgemeinheit dieser Betrachtung vernachlässigt werden darf.

Es liege also eine flüssige Lösung von wenigen Teilchen B in vielen Teilchen A vor, und wir untersuchen, wie leicht sich ein Teilchen A aus dieser Lösung entfernen lässt. Je leichter das geht, desto niedriger siedet die Flüssigkeit.

Ist die Wechselwirkung A - B kleiner als die Wechselwirkung A - A, so werden die Teilchen A im Mittel weniger stark in der Lösung zurückgehalten und die A verdampfen schon bei niedrigerer Temperatur. Man muss sich die Lösung als eine Ansammlung von Teilchen in heftiger Bewegung vorstellen, die sehr häufig aneinanderstossen. Ein Teilchen A wird also, abhängig von der Zusammensetzung der Lösung, sehr viele Zusammenstösse mit B-Teilchen und noch viel mehr Zusammenstösse mit A Teilchen erfahren. Die Energie, die man braucht, um es aus der Lösung zu entfernen, hängt also davon ab, wieviele Teilchen von welcher Sorte es auf seinem Weg hinaus in die Dampfphase antrifft. Sind es mehr B-Teilchen, von welchen es weniger stark angezogen wird, so geht das leichter.

Gleichgewicht

Warum wird aber der Dampfdruck auch dann erniedrigt, wenn die Wechselwirkungen A - A gleich gross sind wie die Wechselwirkungen A - B? Was fehlt in obiger Erklärung?

Schmelzen und Sieden sind Gleichgewichtsprozesse. Das wurde oben nicht berücksichtigt. Es bedeutet, dass man nicht nur den Austritt von A-Teilchen aus der flüssigen in die Dampfphase betrachten darf, sondern auch umgekehrt die Kondensation von A-Teilchen von der Dampfphase in die flüssige Phase in Betracht ziehen muss.


Verdampfen ist ein Gleichgewichtsprozess.

Wenn, auf welche Weise auch immer, die Rate eines der beiden Prozesse (Verdampfen bzw. Kondensieren) verändert wird, so ändert sich die Lage des Gleichgewichtes. Verringert man beispielsweise die Verdampfungsrate bei unveränderter Kondensationsrate, dann verringert sich der Dampfdruck, weil weniger Teilchen in der Dampfphase sind.

Sind weniger Teilchen in der Dampfphase, dann verringert sich aber auch die Kondensationsrate, ganz einfach weil es bei kleinerer Anzahl Teilchen auch unwahrscheinlicher wird, dass eines zurück in die Flüssigphase findet. Es stellt sich ein neues Gleichgewicht mit verändertem Dampfdruck ein.

Durch Zusetzen einer zweiten Molekülsorte (B) "verdünnt" man aber die A-Teilchen. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, mit der A-Teilchen in die Dampfphase übertreten, die Verdampfungsrate wird kleiner. Dadurch sinkt die Anzahl der Teilchen, die sich im der Dampfphase befinden, was wiederum die Kondensationsrate senkt, bis sich bei tieferem Dampfdruckein neues Gleichgewicht eingestellt hat. Der Dampfdruck sinkt also beim Zusetzen von B auch dann, wenn die Wechselwirkungen A - A und A - B gleich sind.

Der Dampfdruck hängt mit dem Siedepunkt zusammen: Eine Flüssigkeit siedet, wenn ihr Dampfdruck den Aussendruck erreicht. Der Dampfdruck hängt von der Temperatur ab. Sinkt also der Dampfdruck bei konstantem Aussendruck, dann muss man die Temperatur erhöhen, um eine gegebene Flüssigkeit zum Sieden zu bringen -- der Siedepunkt liegt höher.

Steigt der Dampfdruck bei konstantem Aussendruck, dann siedet eine gegebene Flüssigkeit schon bei niedrigerer Temperatur.

Zusammenfassung:

Zusätze beeinflussen Phasenumwandlungstemperaturen. Die benötigte Energie, um ein Teilchen aus einer kondensierten Phase zu entfernen, hängt von der mittleren Wechselwirkung dieses Teilchens mit allen anderen Teilchen in der Phase ab. Falls zugesetzte Teilchen stärker oder schwächer mit den Teilchen der Phase wechselwirken, ist also eine Änderung der zur Entfernung benötigten Energie zu erwarten.

Darüber hinaus beeinflussen zugesetzte Stoffe die Phasenumwandlungstemperatur aber auch auf rein statistischem Weg. Je mehr zugesetzte Teilchen in einer kondensierten Phase sind, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass gerade ein ursprüngliches Teilchen "erwischt" und aus dieser Phase entfernt wird.

In beiden Fällen verändern sich nach einem Eingriff die Verdampfungs- und Kondensationsraten so lange, bis sich wieder ein neues Gleichgewicht mit verändertem Dampfdruck eingestellt hat. Im Gleichgewicht sind die beiden Raten einander gleich. Je nach Lage des Gleichgewichts haben die Raten aber unterschiedliche Werte, sie können beide gleich gross oder beide gleich klein sein.


This page updated Mai 25, 1999 GVa


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